Streiflicht 2
Klingenthal im Jahre 1850
© Archiv Musik- und Wintersportmuseum

Streiflicht 2

Die ersten Gemeinderatswahlen 1839 in Klingenthal und Brunndöbra

Vor genau 180 Jahren wurden in den beiden damals Einwohner stärksten Gemeinden im Klingenden Tal die ersten Gemeinderäte in der Geschichte beider Orte gewählt.

Bereits am 7.November 1838 hatte König Friedrich August die „Landgemeindeordnung für das Königreich Sachsen“ erlassen und diese sah die Wahl von Gemeindevertretungen vor.

Das Protokoll von Klingenthal beginnt so: „Klingenthal, den 13. Februar 1839. An dem heutigen Tag ist über die Einführung der Landgemeindeordnung in dem hießigen Fabrikorte an Ort und Stelle Berathung gepflogen worden. Es waren zu diesem Acte sämmtliche stimmmberechtigte Klingenthaler Ortsbewohner erschienen…“

Weiterhin enthält das Protokoll die Namen der 130 stimmberechtigten Männer. Anlässlich des Wahlprozedere war vom Amt Voigtsberg extra ein Justizamtmann anwesend. Jener Beamte mit Namen Hantusch erläuterte die vom König wenige Monate davor erlassene Landgemeindeordnung und es wurden die Wahlmodalitäten erörtert. Die Anwesenden beschlossen, 12 Gemeindevertreter zu wählen „und zwar fünf aus der Klasse der Haus- und Grund-Besitzer“, vier aus der Klasse der „bloßen Hausbesitzer“ (Häusler) und drei aus der Klasse der „Unansässigen“ Einwohner ohne Haus und Grundbesitz. Zunächst sollten 12 Wahlmänner ermittelt werden, welche dann ihrerseits in einem zweiten Wahlgang die zwölf eigentlichen Gemeinderatsmitglieder wählen sollten. Unter den stimmberechtigten 130 Männern wurden schließlich Zettel ausgeteilt, auf diese jeder Stimmberechtigte 12 Namen derer schreiben sollte, die er für die Aufgabe als Wahlmann für geeignet hielt.

Eine vorgefertigte Kandidatenliste gab es damals weder für Wahlmänner noch für die zukünftigen Gemeinderatsmitglieder. Bei 130 Stimmberechtigten für Klingenthal kannte schließlich Jeder Jeden und damit auch die privaten Eigentumsverhältnisse des Einzelnen, welche für die Auswahl und Aufteilung der „Klassen“ im zweiten und eigentlichen Gemeinderatswahlgang notwendig waren.

Schließlich wurden diejenigen Männer zu Wahlmännern erklärt, welche die meisten Stimmen erhielten, bei Gleichheit entschied das Los.

Am 15. Februar wurde durch die Wahlmänner schließlich der erste Gemeinderat Klingenthals gewählt: Jeder dieser Männer schrieb dann wiederum zwölf Namen der Personen auf einen Zettel, die er für geeignet hielt, zukünftig die Gemeinde zu vertreten. Nach Auszählung der Stimmen wurden schließlich zusätzlich noch der „Vorstand“ Franz Karl Hüller, sowie der erste (Friedrich August Fietz) und zweite Gemeindeälteste (Johann Meisel) gewählt, so dass der Gemeinderat schließlich aus 15 Mitgliedern bestand.

In Brunndöbra wurde der Gemeinderat direkt ohne Wahlmänner gewählt. Deshalb wurde der gesamte Wahlgang an einem Tag abgeschlossen und Amtsrichter Johann Christian Glaß zum Vorstand, zum Gemeindeältesten Leberecht Tittmann gewählt.

Beide Gemeinderäte wurden jeder für sich am 18. April 2019 in ihre Ämter eingewiesen und den Ortsbewohnern vorgestellt. Am 1. Mai 1839 tagten beide Gemeinderäte je zum ersten Mal. Im Klingenthaler Gemeinderat wurde über die Fortführung des Schulbaues beraten, in Brunndöbra waren eine Inventur des Gemeindeeigentums, Belange der Feuerwehr, ein Gemeindesiegel und „ein paar Daumenschrauben“ Themen auf der insgesamt 17 Punkte enthaltenen Tagesordnung.

Auf diese Weise begann also im Jahr 1839 Klingenthals Geschichte gewählter Kommunalparlamente.

Angesichts von 1630 Einwohnern, die Karl August Wolf in seiner Chronik von 1837 für den Ort Klingenthal angibt, mag die Zahl der Stimmberechtigten in Höhe von 130 für Klingenthal sehr wenig anmuten, allerdings war damals eine Wahlberechtigung von Besitztum (Hauseigentümer, Fabrikinhaber) und von der Höhe der Steuerpflicht (also dem eigenen Erwirtschaften eines gewissen Einkommens privat oder geschäftlich) abhängig. Wahlberechtigt waren also nur diejenigen Männer, welche Haus- und Grundstückseigentümer waren sowie über ein mindestens mittleres Einkommen verfügten. Ein allgemeines Wahlrecht für Männer wurde erst im Zuge der Frankfurter Nationalversammlung 1848 erstmals eingeführt. Das Wahlrecht für Männer und Frauen (ab vollendetem 20. Lebensjahr) wurde erst mit der Verfassung der Weimarer Republik festgeschrieben.

Laut Klingenthaler Chroniken mag man 1839 angesichts von Schulneubau, Anschaffungen für die Feuerwehr, Instandhaltungskosten für deren Ausrüstung und Straßenbauten durchaus Parallelen zu Themen der Gegenwart ziehen können, doch hatten sich die Gemeindeparlamente vor 180 Jahren auch mit Problemen und Notständen zu befassen, welche in der Gegenwart kein Thema der Tagesordnungen sind: 1839 und in den Folgejahren wütete in Klingenthal und den Nachbargemeinden die Ruhr. Besonders warme und trockene Sommer hatten die Verbreitung der Krankheit gefördert. 1842 raffte die fiebrige Durchfallerkrankung allein in Brunndöbra mehr als 50 Menschen dahin. Im gesamten Kirchspiel starben 110 Menschen, etwa ein Viertel aller tatsächlich Erkrankten, wie Pfarrer Wolf berichtet. Neben schlechten hygienischen Zuständen kam die mangelhafte Ernährung der Bevölkerung hinzu. 1855 musste eine öffentliche „Speiseanstalt“ eingerichtet werden, welche für die Bevölkerung teils kostenlose Mahlzeiten ausgab. (XB)

Klingenthal 1726
Klingenthal im Jahre 1726

Klingenthal 1850
Klingenthal im Jahre 1850

 

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